Als die Linzer Stadtväter im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts die Sammlung Anton Pachingers kauften und damit den Grundstein für das Museum Nordico legten, ahnten sie nicht, dass es der österreichische Kunsthistoriker und Volkskundler mit der Wahrheit nicht immer so genau nahm. Als 25 Jähriger Mann erregte besagter Pachinger nämlich Aufsehen, als er behauptete, den Beweis für einen Mythos aus dem Mittelalter gefunden zu haben. In einem Grab aus dem 16. Jahrhundert, wollte er einen Bleisarg gefunden haben, in dem das Skelett einer Frau lag, die ein merkwürdiges Kleidungsstück um die Hüften trug – einen Keuschheitsgürtel.
Zweifel an der Echtheit des Fundes
Ernst zu nehmende Historiker bezweifeln diese Geschichte jedoch. So sagt Dr. Birgit Friedel, Kulturwissenschaftlerin und führende Expertin für das Mittelalter in einem Interview mit dem WDR: „Es gibt nur den Bericht von Pachinger. Wir haben weder den Sarg, wir haben das Skelett nicht. Wir haben eigentlich nur den Keuschheitsgürtel … und da gibt es sehr viele Indizien, dass er erst aus dem 16. Jahrhundert stammt.“ Nach Angabe der renommierten Wissenschaftlerin gibt es weltweit keinen Keuschheitsgürtel, der einer seriösen Überprüfung, hinsichtlich seines Alters, standhalten könnte. Dr. Birgit Friedel muss es eigentlich wissen, schließlich hat sie auch die Untersuchungen an den im Schloss Erbach ausgestellten Keuschheitsgürteln geleitet.
Stellt sich nur die Frage, was denn Anton Pachinger seinerzeit bewogen hat, zu behaupten, dass er den Keuschheitsgürtel in einem Grab aus dem 16. Jahrhundert gefunden hat. Darüber lässt sich heute nur noch spekulieren. Sicher ist jedoch, dass der Sohn eines reichen Eisen- und Waffenhändlers die Studiengänge Rechtswissenschaften, Medizin, Kunstgeschichte sowie Archäologie belegte. Allerdings langte es in keinem dieser Fächer zu einem Abschluss. Im Anschluss an seinem „Fund“ machte der damals 25-jährige jedoch eine steile Karriere. So war der umtriebige Linzer ab 1915 vereidigter Gerichtssachverständiger für alte Kunst und Kunstgewerbe in München.