Obwohl Relikt längst vergangener Zeiten, ist der Keuschheitsgürtel noch heute jedem aufgeklärten Menschen geläufig. Wilde Legenden ranken sich um dieses mittelalterliche Bekleidungsstück, und bis vor wenigen Jahrzehnten war es noch als Schulwissen, dass die Kreuzritter ihren Ehefrauen einen Keuschheitsgürtel verordneten, bevor sich die Herren der Schöpfung auf den Weg nach Jerusalem machten. Dass es sich dabei um eine Mär handelt, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass das monate- oder jahrelange Tragen eines Keuschheitsgürtels unweigerlich zu schweren Infektionskrankheiten führen würde, was zur damaligen Zeit mit ziemlicher Sicherheit den Tode der Trägerin zur Folge gehabt hätte.
Keuschheitsgürtel tragen als Strafe und Folter
Neueren Untersuchungen zufolge geht man heutzutage stattdessen davon aus, dass der so genannte Florentiner Gürtel wahrscheinlich als Straf- und Folterwerkzeug benutzt wurde. Dazu passt auch die Geschichte, dass der Keuschheitsgürtel von den Dogen in Venedig erfunden wurde. Bereits damals bestand eine Steuerpflicht für Prostituierte. Säumige Damen wurden mit dem Tragen des Florentiner Gürtels an ihre Verpflichtung erinnert, ihre Steuerschulden rechtzeitig und in ausreichender Höhe zu entrichten.
Erste Erwähnungen gehen zurück auf den Beginn des 15. Jahrhunderts. So findet man in der Niederschrift „Bellifortis“ von Konrad Kyeser, aus dem Jahr 1405, die älteste bekannte Zeichnung eines Keuschheitsgürtels. In den handbuchartig angelegten Schriften beschrieb der deutsche Arzt und Kriegstechniker diverse technische Geräte zur Keuschhaltung und ließ diese von zeitgenössischen Malern illustrieren.
Der Keuschheitsgürtel im Spätbarock
Im Spätbarock (1720 – 1770) galten Anekdoten über den Keuschheitsgürtel als besonders apart. Heute nimmt man an, dass aus dieser Zeit auch die zahllosen Keuschheitsgürtel Geschichten über die Kreuzritter, die schicklichen Damen und die Anwendung der Keuschheitsgürtel stammen. Offenbar wollte man sich vom „finsteren“ Mittelalter abgrenzen und zeigen in welch herrlichen Zeiten man sich befände. Man denke nur an den berühmten Satz von Voltaire, demzufolge die Menschen damals „… In der besten aller möglichen Welten leben“.